Jedes Verhalten macht Sinn.

Es gibt 3 emotionale Grundbedürfnisse, die Kinder (übrigens auch Erwachsene) in sich tragen und meist ihr Verhalten motivieren:

  • SICHERHEIT: „Bin ich sicher – physisch und psychisch?“

  • VERBUNDENHEIT: „Gehöre ich dazu? Bin ich wertvoll? Werde ich wahrgenommen, gesehen und wertgeschätzt – nicht für das was ich tue, sondern für das, was ich bin?“

  • AUTONIMIE: „Darf ich mich entfalten, entwickeln und die Welt entdecken? Darf ich fühlen und erleben, dass ich selbstwirksam und selbstbestimmt bin?“

Aus dem Gefühl der Sicherheit und Verbundenheit heraus, kann sich Autonomie entwickeln. Dann kann das Kind mutig seine Schritte in die Welt machen.

Jedes Verhalten hat also einen Sinn, denn durch das Verhalten möchte das Kind etwas ausdrücken, was es stark beschäftigt. Somit lohnt es sich, hinzuschauen, zu erforschen und zu erspüren, welches Gefühl (Angst, Wut, Trauer…) hinter dem Verhalten liegt und welches emotionale Grundbedürfnis hier zu Grunde liegt. Um es gleich vorweg zu nehmen: Es geht nicht darum, dieses Bedürfnis sofort zu stillen, sondern es zu erkennen, anzuerkennen und eventuell Handlungs-alternativen zu finden.

Beispiel:

Eine Mutter sitzt am Tisch und arbeitet. Ihr Sohn (4) sitzt bei ihr am Tisch und malt. Eine Zeit lang ist es ruhig. Irgendwann beginnt der Bub mit dem Fuß gegen das Tischbein zu klopfen. Die Mutter bittet ihn, damit aufzuhören. Wieder kurz Ruhe. Der Bub beginnt wieder mit dem Verhalten. Die Mutter schon etwas verärgert, was an ihrem Ton zu hören ist: „Ich sagte, bitte hör auf damit, das stört mich!“. Wieder kurz Ruhe. Doch das Klopfen fängt erneut an. Die Mutter wird wütend und schimpft, „Ich habe dir jetzt schon zwei mal gesagt, dass du damit aufhören sollt! Du störst mich damit! Immer musst du sowas machen, das gibt’s doch nicht!“

Wenn wir das Verhalten des Kindes verändern wollen, müssen wir erst das Kind besser verstehen und tiefer blicken, als nur die Verhaltensebene zu betrachten.

Warum klopft also das Kind in unserem Beispiel gegen das Tischbein? Der Bub könnte das selbst sehr wahrscheinlich nicht formulieren, doch klar ist: sein Verhalten macht Sinn. Jedes Verhalten macht Sinn. Es ist nur nicht immer sofort erkennbar, was dahinter steckt. Die Aufgabe der Erwachsenen ist es, hinzuschauen und hinzuspüren, was die Ursache sein kann.

Was ist nun das Bestreben des Kindes? Die Sehnsucht.

Wenn Kinder auf die Welt kommen, richten sie ihr ganzes Streben darauf aus, einen Platz in dieser Welt zu finden und sich zugehörig zu fühlen. Eine Bedeutung zu haben und Teil der Familie zu sein, in der sie aufwachsen. Das gilt für Kinder und Erwachsene: wir alle sind soziale Wesen und das stärkste Bestreben ist die Zugehörigkeit, was Sicherheit und Verbindung bedeutet. Wenn dies gesättigt ist, kann sich das Autonomiebestreben frei entwickeln, was uns die Welt entdecken lässt.

Das Streben nach Zugehörigkeit passiert unbewusst, ebenso unbewusst erfolgen Strategien, wie dies erreicht werden kann, oder welchen Weg das Kind für sich als erfolgreich oder erfolglos einordnet.

Das muss uns bewusst sein, damit wir erkennen, dass ein Verhalten nicht gezeigt wird, um uns Erwachsene zu provozieren oder zu ärgern. Das komm zwar oft bei uns Erwachsenen so an, doch das ist in der Regel nur unser Empfinden. Kinder suchen nach der Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse, was sie quasi für ihr Überleben brauchen.

Weiter in unserem Beispiel: Der Bub klopft also immer wieder gegen das Tischbein. Sein Ziel ist es, dass seine Mutter sich ihm zuwendet. Er zeigt ein Verhalten, weil ein Gefühl darunter liegt, was Trauer sein könnte. Darunter liegt sein Grundbedürfnis nach Verbundenheit. Mit seinem Verhalten versucht er also, mit seiner Mutter in Verbindung zu treten. Er kann (noch) nicht sagen: „Mama, ich fühle mich gerade allein gelassen und das verunsichert mich, macht mich traurig. Bitte zeig mir, dass du immer noch für mich da bist.“

Wie könnte nun die Situation anders ablaufen?

Die Mutter sieht das Verhalten des Kinders: es klopft immer wieder gegen das Tischbein. Sie erkennt das Gefühl, welches dahinter liegt: Trauer. Auch begreift sie das Grundbedürfnis ihres 4 jährigen Sohnes, welches er durch ein Verhalten zeigt: Verbundenheit. Sie geht somit nicht auf das Verhalten von ihm ein, sondern sieht ihn mit seinen Bedürfnissen, wendet sich ihm zu und lächelt ihn an: „Brauchst du meine Hilfe?“. Er: „Ja, schau mal, ich habe einen Hund gemalt!“. Mutter: „Ach ja! Und ich sehe, dass du viele Farben dafür verwendet hast. Und das neben dem Hund, ist das seine Hundehütte?“. Der kurze, ehrliche Kontakt kann schon genügen, um das Gefühl der Verbundenheit/ der Zugehörigkeit zu befriedigen. Wichtig ist die Haltung dahinter: der Bub würde spüren, wenn die Mutter ihn nur „abwimmeln“ möchte, dann wäre sein Bedürfnis nicht befriedigt und er würde höchstwahrscheinlich weitere Versuche unternehmen, um sein Ziel zu erreichen.

Zurück
Zurück

Der Zauber der ungeteilten Aufmerksamkeit

Weiter
Weiter

Corona