Wie wir mit unseren Kindern sprechen

Das 5-jährige Mädchen sagt zu seiner Mutter: „ Ich geh jetzt raus in den Garten.“ Die Mutter erwidert in scharfem Ton: „Nein, das tust du nicht. Es gibt gleich essen.“ Die Tochter wartet, bis die Mutter weg ist und schleicht sich dann aus dem Haus.

Wozu dient Sprache eigentlich?

Sie dient dazu, dass wir Gedanken austauschen, von Erlebnissen erzählen, Erfahrungen berichten, dass wir planen und besprechen können. Es ist eine Form der Kontaktaufnahme. Interessant ist, dass wir unsere Sprache oft recht schnell ändern, wenn wir mit unseren Kindern sind, die Tonlage ändert sich, die Lautstärke, die emotionale Ladung dahinter.

Wir sprechen nur allzu oft ZU unseren Kinder und nicht MIT ihnen. ZU bedeutet von „Oben herab“, meist ist es ein „ich will etwas von dir“. Über den Tag verteilt geben wir viele Anweisungen und Mahnungen, wir drängeln, erinnern und schimpfen.

All dies wirkt entmutigend. Auf Dauer schalten Kinder bei diesen Äußerungen auf „Durchzug“. Sie hören dann nicht mehr die Worte, sondern hören anhand der Stimme (Tonlage, Stimmlage, Stimmfärbung, Intensität) und nehmen wahr: „Ah ja, jetzt kommt das wieder… Genörgel und Geschimpfe… ich habe wieder was vergessen, habe wieder etwas falsch gemacht…“

Wenn du dein Kind dann fragen würdest, was du gerade gesagt hast, würde es sagen: „Das weiß ich nicht.“, wenn es sich das traut. Wenn wir mit einem scharfen Ton sprechen, verstärken wir dadurch unsere eigene gereizte Stimmung, wenn wir es schaffen, mit klarer und ruhiger Stimme zu sprechen, beruhigen wir uns dadurch auch selbst.

Ein Beispiel:

Dein Mann und du habt für den nächsten Tag eine Wanderung mit Freunden geplant, ihr freut euch schon sehr drauf, auch wenn ihr schon recht früh los müsst. Euer 2 -jähriger Sohn wird in der Trage getragen werden. Ihr legt euer Kind abends nieder, welches in einem Beistellbett schläft, etwas später schlaft ihr auch ein. Gegen 2 Uhr nachts fängt euer Sohn an, leise zu quengeln. Sofort gehen deine Gedanken los: „Oh nein, er wacht auf und ich werde mich jetzt ewig um ihn kümmern müssen und dann bin ich morgen früh so müde und fix und fertig. Oh nein, der ganze Tag wird dann so anstrengend werden.“ Das alles spielt sich fast automatisch in kürzester Zeit in deinem Kopf ab.

Kennst du das?

Ein Versuch ist es wert, ganz bewusst hier deine Gedanken zu stoppen und einen anderen Weg einschlagen:

Du kümmerst dich ruhig und liebevoll um deinen Sohn, sprichst ruhig mit ihm, streichelst ihn oder nimmst ihn auch ruhig und langsam aus seinem Bettchen. Schnell beruhigt er sich und schläft wieder ein. Auch du entspannst dich wieder völlig, legst euren Sohn wieder in sein Bettchen oder er bleibt bei euch im Bett liegen und ihr drei könnt wieder entspannt einschlafen. Dies ist ein Beispiel dafür, wie eine ruhige Stimme andere, aber auch dich beruhigen kann.

Manchmal hat unsere Stimme einen scharfen Ton. Weil wir andere, aber auch uns selbst davon überzeugen wollen, dass wir jetzt wirklich entschlossen sind, dass genau so zu machen. Und nicht anders.

Wie in unserem Beispiel mit dem sechsjährigen Mädchen, in dem die Mutter einen scharfen Ton anschlägt und sich die Tochter aus der Wohnung schleicht.

Sie reagiert auf den scharfen Ton der Mutter und ein Machtkampf steht bevor. Worauf genau hat das Mädchen nun reagiert?

Höchst wahrscheinlich läuft in der Mutter ein ganz bestimmtes Szenario im Kopf ab: „… wenn sie jetzt raus geht, spielt sie wieder lange und kommt nicht zum Essen rein, dann schrei ich wieder und sie hört und folgt mir wie immer nicht. Und dann ist das Essen kalt und wieder mal versaut. Niemand hört mir zu, dabei tu ich alles, damit es allen gut geht….“. Auf diese Sorgen und Selbstzweifel reagiert das Mädchen – eine unangenehme Dynamik ist am Laufen.

Wie hätte die Mutter noch reagieren können?

Die Mutter hätte sagen können: „Hm. Tut mir leid, raus gehen zahlt sich jetzt nicht mehr aus, denn wir essen in 5 Minuten. Komm doch mit und hilf mir, noch die Gurke zu schneiden.“Die Mutter bleibt ruhig und lädt sie zur Mithilfe ein. Damit bekommt die Tochter eine Möglichkeit, einen wertvollen Beitrag für die Familie zu erbringen, völlig frei. Durch eine freundliche und sichere Stimme begibt sich die Mutter in keinen Machtkampf.

Auch im Alltag können wir immer wieder auf unsere Stimme bzw. die Tonlage achten: Wenn du mal eine Anweisung geben möchtest, dann schrei bitte nicht von einem Zimmer zum anderen. Geh lieber zu deinem Kind hin, trete in Verbindung mit ihm, stelle Blickkontakt her und sage mit freundlicher und sicherer Stimme: „Wir essen in 5 Minuten, bitte räume deine Bücher vom Tisch“.

Erstaunlich ist, dass wir mit unseren Kindern (im Übrigen auch mit uns selbst) oft so reden, wie wir mit anderen Menschen es nie tun würden.

Wieso tun wir das?

Nie würden wir unseren Freunden sagen: „Jetzt setz dich doch mal gerade hin!“, „Sag so ein Wort nicht, das tut man nicht!“, „Benimm dich doch mal, die Leute schauen schon!“, „Schau! Schon wieder hast das das ganze Essen auf deinem Pullover verteilt, pass doch auf!“.

Wenn ein/e Freund*in auf unserer Tischdecke einen Kaffeefleck hinterlässt, sagen wir nicht: „Ach nein. Schau doch, du hast die Tischdecke ganz schmutzig gemacht. Pass doch auf.“ Das machen wir nicht, wir sage nur: „Das macht doch nichts.“

Zurück
Zurück

Corona

Weiter
Weiter

Interview mit Active Beauty