Die Mama-Intuition

Mein Kind weint – aber offensichtlich ist da nichts, warum es jetzt dieses Verhalten zeigen könnte. Ich kann nichts SEHEN. Doch ich kann WAHRNEHMEN: ich nehme Informationen über mein Kind und dessen Umfeld auf und kann erkennen, was es gerade braucht. Das ist Teil der Mama-Intuition. Funktioniert das immer? Nein, nicht immer. Aber immer öfter, wenn wir dieser Stimme ins uns immer mehr vertrauen.

Was ist Intuition?

Der Begriff „Intuition“ stammt vom lateinischen Wort ‚intueri' ab und bedeutet übersetzt u.a. „betrachten“ – ich betrachte und erfasse eine Situation und kann „erfühlen“ was mein Kind jetzt braucht.

Intuition ist in unserer Gesellschaft ein Stück weit nach hinten gestellt worden, denn Leistung und der daraus entstehende Druck scheint radikal im Vordergrund zu stehen. (Zer-)Denken wird hochgepriesen, was ja grundsätzlich gut ist, denn ohne logischem, strategischem, vorausschauendem und reflektierendem Denken würden wir auch nicht überleben können. Unser Verstand sorgt somit für unser Überleben. Doch der Mensch kann mehr…

In sehr vielen Kontexten ist das Einschalten unseres Köpfchens durchaus empfehlenswert. Doch wie schaut es bei zwischenmenschlichen Beziehungen aus? Hier geht es viel um Einfühlungsvermögen, in Verbindung gehen und weniger um logisches Denken.

Wenn wir uns das Band zwischen Mama und Kind ansehen, dann ist da so viel mehr an Verbindungselementen, wie beispielsweise Gesten, Gefühle und innere Haltung. Sogar der Körper unterstützt uns hier, beispielsweise durch die Ausschüttung des Hormons Oxytocin (das „Kuschelhormon“), welches die emotionale Beziehung stärkt. Und ja, es wird aktiviert, wenn wir mit unserem Kind kuscheln und es reduziert Stress im Körper und stärkt unser Wohlgefühl.

Angelerntes Wissen vs. Intuition?

Wissen über die Entwicklung der Kinder, über Tipps und Tricks in Sachen Erziehung lassen sich gut in Büchern oder im Internet recherchieren. Das ist das theoretische Wissen, welches noch ohne jegliche eigene Erfahrung angesammelt werden kann.

Und dann gibt es noch dieses etwas mystische „innere Wissen“: wie oft kann ich Mamas beobachten und kenne das auch von mir selbst als Mama – diese „innere Weisheit“ existiert. Als Beispiel: Wir holen unsere Kinder vom Kindergarten oder Schule ab und brauchen es nur kurz anzusehen und wissen in diesem Fall einfach, dass „etwas“ nicht stimmt und wissen dann auch häufig, was es jetzt braucht: eine Umarmung, tröstende Worte oder auch Raum, in dem es seine Gefühle über etwas verarbeiten darf. Da braucht es nicht immer viele Worte der Erklärung. Wir sind mit unserem Kind verbunden und erspüren so vieles.

Im Übrigen ist es sehr fruchtbar, wenn angelerntes Wissen mit der Intuition in Austausch gehen darf – wir können Gelerntes anwenden und unsere Schlüsse daraus ziehen: was funktioniert für mein Kind und mich? Und was nicht?

Unter welchen Umständen ist der Zugang zur Mama-Intuition offen und leicht?

Dann, wenn der Erwachsene eine gute Verbindung zu den Eltern hatte, wenn er/sie also sicher gebunden ist, wenn auf sie als Kind mit viel Feingefühl, Geduld und liebevoller Führung regiert wurde – wenn völliges Urvertrauen da ist.

Doch wer hatte schon die Umstände, 100% „sicher“ aufwachsen zu können?

In meiner Arbeit mit Müttern höre ich oft von Erfahrungen aus der eigenen Kindheit:

„Mein Vater war immer sehr streng und hat viel mit mir geschimpft, wenn ich etwas angestellt habe, z.B. wenn ich zu spät gekommen bin. Doch er ist immer mit mir zum Sport gegangen, das war schön.“, „Ich habe es gehasst, wenn meine Mutter mich zu den Hausaufgaben gezwungen hat, ich musste sie immer gleich nach der Schule machen, dabei war ich dann immer so müde. Doch abends beim Schlafen gehen, haben wir oft noch gelacht, das habe ich geliebt.“

In den häufigsten Fällen ist es also ein „sowohl als auch“: die meisten Menschen haben Sicherheit UND Unsicherheit erlebt. Die Frage ist hier, wie wir das in der Kindheit Erlebte interpretiert haben und wie wir JETZT damit umgehen (können).

Wie gelingt es uns also, mit all diesen Schatten aus unserer Kindheit fertig zu werden?

Indem wir uns die Schatten bewusst machen und den Mut nehmen und hinschauen.

Es geht NICHT darum, die eigene Kindheit nochmal bis ins kleinste Detail auseinander zu nehmen und nochmal zu durchleben.

Es geht darum, sich bewusst zu machen, was mich HEUTE noch stark beschäftigt, um in einem weiteren Schritt ein Stück Entspannung einkehren lassen zu können. In meinen Mama-Beratungen kommen wir oft an einen Punkt, an dem große Ängste hochkommen. Eine Mama erzählte beispielsweise von ihrer Angst als Kind in vielen Nächten: sie hatte viele Albträume und durfte aber nie zu ihren Eltern ins Bett kommen, um sich trösten zu lassen. Heute hat diese Mama große Schwierigkeiten damit, ihr eigenes Kind allein schlafen zu lassen, weil sie ihrem Kind diese Ängste ersparen möchte. Dabei kann es sein, dass ihr Kind eigentlich schon gut selbst im eigenen Zimmer schlafen könnte. Hier macht es Sinn, sich diese Ängste anzuschauen, um diese „alten“ Gefühle heilen zu können, damit das Kind möglichst frei davon aufwachsen kann.

Es gibt viele Wege, um die inneren Schmerzen zu versorgen und dahinter verbergen sich Schätze, zu denen wir unter Umständen noch keinen Zugang hatten: Was wären wir ohne diesen Schmerz/diese Angst? Zum Beispiel: Was wäre, wenn die Angst vor Kontrollverlust nur dezent wäre? Wie würden wir uns dann fühlen?

Wenn es uns nun mit der Zeit gelingt, eine tiefe (Ver-)Bindung zu uns selbst und schließlich zu unseren Kindern aufzubauen, wird uns genau diese (Ver-)Bindung mit Weisheit versorgen, die uns hilft, natürliche Antworten in Bezug auf Folgendes zu geben:

  • Gleichwürdiger Umgang – wie kann das ausschauen?

  • In liebevoller Führung bleiben. Ich bleibe klar und mein Kind kann sich orientieren.

  • Das Hin- und Herbewegen zwischen Sicherheit (Geborgenheit) und Autonomie (Selbstwirksamkeit, die Welt entdecken) gesund begleiten zu können.

  • Was braucht mein Kind jetzt gerade – warum ist es zu Zeit so wütend, traurig, unsicher…

  • Dann brauchen wir es vielleicht nicht mehr (so sehr), uns Ratschläge und Tipps zu holen, dann können wir wahrnehmen, in welche Richtung es sich gut und gesund anfühlt.

Wichtig: das eben Beschriebene ist ein Prozess, der auch Spaß machen darf. Wir dürfen Fehler machen und unser Kind wird dennoch gesund aufwachsen. Wir dürfen uns unseren Kindern etwas zumuten, denn auch wir sind auf einer Reise: zu einem authentischen Mama-Sein.

„Die Intuition ist ein göttliches Geschenk, der denkende Verstand ein treuer Diener. Es ist paradox, dass wir heutzutage angefangen haben, den Diener zu verehren und die göttliche Gabe zu entweihen.“

Albert Einstein

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